JURASSIC WORLD (Filmkritik)
Vor Kurzem brach die Dinosaurierzeit über Deutschland herein. Mit über einer halben Milliarde Dollar weltweit1, legte der Film in wahren Dinoschritten die Strecke zum erfolgreichsten Kinostart aller Zeiten zurück (und ließ den vormaligen Rekordhalter Marvel’s The Avengers weit hinter sich). Doch bestürmen die Leute wirklich wegen der komplexen Story und der bahnbrechenden Effekte die weltweiten Kinosäle?
Jurassic Park
Bevor ich darauf näher eingehe, dann meine Eindrücke von dem Film schildere und schließlich meine Gedanken dazu formuliere, möchte ich euch zuerst in die ferne Vergangenheit entführen. Es ist 1990 und ich bin süße 9 Jahre alt. Auf empfehlung einer Bekannten meiner Elter, schmökere ich in einem Buch mit dem Titel DinoPark.
Rückwirkend betrachtet, mag dieses Werk vielleicht nicht die beste Wahl für einen Jungen diesen Alters gewesen sein. Aber als absoluter Dino-Fan (heute würde man sagen Nerd) sah ich relativ ungerührt über den sich stetig auftürmenden Berg an Leichen hinweg (IIRC hatte jedes DinoPark-Kapitel eine Art Bodycount) und war schon bald völlig fasziniert von dem Abenteuer, das sich mir auf den Seiten dieses Werkes eröffnete. Noch heute kann ich mich an die Szene erinnern, in der Tim und seine kleine Schwester Lex (ja im Buch war’s umgekehrt) sich in der Höhle hinter dem Wasserfall vor dem T-Rex verstecken. Spannung pur.
Logisch, dass ich mir dann auch die Filmadaption Jurassic Park ansehen musste, als dieser 1993 in deutschen Kinos anlief. Ich schnappte mir also kurzerhand meinen besten Freund Bobby und machte mich auf den Weg in den Cinedom. Es mag sein, dass meine Abneigung gegen das kölner Multiplex-Kino zu dieser Zeit seinen Anfang nahm. Der Grund? Besagter Kumpel war zu jener Zeit ein wenig zu kurz geraten und erregte somit den Verdacht des Kartenverkäufers, der ihm nicht abnahm, dass er wirklich schon 12 sein sollte. Da man in dem Alter auch nicht unbedingt einen Perso mit sich herumschleppt, war das Ergebnis unseres Ausfluges, dass wir schließlich stinksauer und unverrichteter Dinge, wieder nach Hause fuhren.
Letzten Endes habe ich den Film dann aber doch gesehen und war natürlich völlig begeistert. Jurassic Park war nicht ohne Grund ein Meilenstein der Kinogeschichte. Nicht zuletzt wegen der (damals) unfassbar realistischen Computeranimationen, die sogar auftreffende Regentropfen und Lichteinfall berücksichtigten. Auch der wunderschöne Soundtrack von John Williams2 (wer sonst?) und das innovative Sounddesign3 4 erweckten den Park und seine Attraktionen zum Leben. Der Film ist auch heute noch Popcorn-Kino der Spitzenklasse und gerade solche Szenen, wie der erste Auftritt des T-Rex und die darauf folgende Kletterpartie, die schließlich doch wieder im Auto endet, gehören mit zu dem besten, was Hollywood je hervorgebracht hat.
Vom Park zur Welt
22 Jahre später startet mit Jurassic World nun das Sequel zu Jurassic Park. Dabei werden laut Regisseur Colin Trevorrow, die Filme Vergessene Welt: Jurassic Park und Jurassic Park III „beiseitegelegt und nicht weiter beachtet“. Clever, bedenkt man, wie unbeliebt beide Filme sowohl bei Publikum, als auch bei den Kritikern sind5.
Ebenso clever, sich das beste aus allen vorangegangenen Filmen herauszupicken, um daraus eine wahre Hommage an das Franchise an sich zu kreieren. Doch dazu später mehr.
Worum es geht
Auch im Film selbst sind seit dem grauenhaften Unglück auf der Isla Nublar gut zwei Jahrzehnte ins Land gegangen. Und da das Gedächtnis der Menschen, auf der Suche nach immer neuen und abgefahren Erlebnissen, oftmals nicht das beste ist, hat der Jurassic Park mittlerweile wieder eröffnet und natürlich die weltweit beliebteste Themenpark-Attraktion. John Hammonds Traum ist in Erfüllung gegangen und jung und alt bestaunen mit leuchtenden Augen die Wunder prähistorischer Zeiten.
Geleitet wird der Park von der ehrgeizigen Managerin Claire Dearing (Bryce Dallas Howard), im Auftrag des exzentrischen Milliardärs Simon Masrani (Irrfan Khan). Während die reptilischen Attraktionen weiterhin unter der Aufsicht des Genetik-Frankensteins Dr. Henry Wu (B. D. Wong), im Labor gezüchtet werden, richtet der Ex-Navy-Seal Owen Grady (Chris Pratt), im Auftrag des zwielichtigen Vic Hoskins (Vincent D’Onofrio) ein Rudel Raptoren ab.
Natürlich ist das bei derart brandgefährlichen Räubern keine ungefährliche Sache, doch Hoskins sieht in den dolchklauigen Zweibeinern, echtes militärisches Potential. Und seien wir mal ehrlich, wer von uns würde nicht kalte Füße bekommen, wenn uns auf dem Schlachtfeld plötzlich ein Heer gepanzerter Velociraptoren mit umgeschnallten Fernlenkwaffen entgegengesprintet kämen?
Seitens der Parkleitung wird fieberhaft an der Eröffnung einer neuen Attraktion gearbeitet, denn auf Wunsch von Parkbesitzer Masrani, ist im Labor ein „größerer, coolerer Dino, mit mehr Zähnen“ zusammengemixt worden: der Indominus Rex. Dieser stellt eine Art genetisches Überraschungsei dar, da niemand so genau weiß, welche Anlagen welcher Dino-Art denn nun eigentlich mit in den Gen-Teig gemischt wurden. Bevor dieser Wunderdino nun der Öffentlichkeit präsentiert wird, soll natürlich sichergestellt sein, dass man das Tierchen wirklich im Griff hat. So wird kurzerhand Dino-Dompteur Grady hinzugezogen und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Denn natürlich bricht der Indominus aus, natürlich rennen alle Besucher panisch durcheinander und es ergießen sich Bäche aus Blut und Gekröse auf den fruchtbaren Boden der schlechtesten Idee der Unterhaltungsindustrie, seit den Stierrennen in Pamplona.
Was das Kind in mir wollte
Was ich wollte, war eine Dinosaurier-Orgie aller ersten Ranges. Und die habe ich bekommen. Nicht nur, gibt es ein wiedersehen mit alten Bekannten, wie den Raptoren, auch die neueste Schreckensechse ist nicht von schlechten Eltern. Zu Lande, zu Wasser und in der Luft (s. Kasten), nirgends ist man vor den schuppigen Kinderlieblingen sicher. Wer also mit der Erwartung in den Film geht, dass er sein Gehirn gegen die 3D-Brille eintauschen und einfach wieder das staunende Kind sein kann, das schon in den 90ern die Erfüllung eines Traums in dem heiseren Röhren des T-Rex gefunden zu haben glaubte, der wird hier definitiv nicht enttäuscht.
Was der Nerd in mir sagt
Das ist wiederum eine andere Geschichte, denn der Nerd in mir, ist jener kleine Mann im Ohr, der solch unkritischen Weicheier vom Format Waldorf und Statler zum Frühstück verputzt. Leider sind seine Einwürfe nur allzu oft nur allzu berechtigt. Und so blieb es mir auch hier nicht erspart, mit anzuhören, wie er dieses fantastischen Retro-Revival-Remake schon während der Einführungsphase, in der Luft zerriß.
Wie kann es denn sein, fragt die spöttische Stimme, dass der Park jemals wieder eröffnet wurde? Und so absurd dies auch erschienen mag, wieviel absurder mutet es dann an, dass ein Park voll der gefährlichsten Wesen der letzten Millionen Jahre, um der Unterhaltung Willen, um ein noch gefährlicheres Wesen aufgestockt wird, von dem niemand so richtig weiß, was es eigentlich ist. Liefert Dr. Franken-Wu seine neueste Kreation nicht mit Beipackzettel und Gebrauchsanleitung? Natürlich nicht, denn sonst könnte das Vieh ja nicht plötzlich entkommen.
Aber entkommt es auf geheimnisvolle Weise? Nein! Man macht ihm freiwillig die Tür auf, weil die karrieregeile Möchtegern-Heldin Dearing sich lieber in ihren Wagen schwingt und auf busy handyfonierende Erfolgsfrau macht, statt gleich mal in der Zentrale jemanden zu bitten, den vermeintlich entflohenen Superpredator per Peilsender zu lokalisieren.
Wem diese Szene nicht schon bedeutet, dass es besser ist, sich auf Effekte und Actionsequenzen zu konzentrieren, statt der diffusen Handlung zu folgen, der wird auch im weitern Verlauf des Films auf viele weitere Ungereimtheiten stoßen. Was das angeht, ist Jurassic World ein Effekte-Porno. Man bekommt was fürs Auge, doch der Plot ist mehr so, „warum liegt denn hier Stroh auf dem Boden…?“
Fazit
Jurassic World ist eine wundervolle Wiederbelebung, von allem, was wir an diesem Franchise lieben. Wir sind taub vom Brüllen und Donnern, das Herz rast vor Begeisterung und Freude und die Augen füllen sich mit Freudentränen, weil es einfach so schön ist. Fast wie die Heimkehr an einen verlorengeglaubten Ort.
Neben der vernachlässigbaren, weil völlig unlogischen Handlung, hat der Film aber gleich noch eine andere Botschaft, die jeder Besucher im Jurassic Park zu Herzen nehmen sollte: Auch wenn es immer größer, immer cooler und mit immer mehr Zähnen geht, an das echte Original reicht auch das dickste Effektfeuerwerk nicht heran.
1Einspielergebnisse
2Soundtrack-Playlist auf YouTube
3Der T-Rex-Schrei
4Todesschrei des Gallimimus
5Wertungen bei rottentomatoes und metacritic