Interview mit Matthias Kringe
Matthias Kringe, Autor und Zeichner der Panini-Bücher SPASS WARS und SPASS TREK hat sich die Zeit genommen und mit seinem privaten Teleporter in mein Stübchen versetzt, um mir sozusagen Rede und Antwort zu stehen.
Für alle, die ihn noch nicht so gut kennen, hier ein kurzer aber bereits sehr beeindruckender Überblick:
Matthias Kringe ist gebürtiger Siegerländer und hat allgemeine Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Seit mittlerweile 32 Jahren gibt er den -vor allem regional bekannten- „Dilldappen-Kalender“ mit Comics auf Siegerländer Platt heraus. Darüber hinaus ist Matthias ständiger Mitarbeiter des Deutschen MAD-Magazins, insbesondere für die Cover-Gestaltung, Alfred E. Neumann- Galerie, sowie Comic-Parodien und satirische Stilkopien.
Sylvaroth: Dann fangen wir doch mal mit dem naheliegendesten an: Star Wars und Star Trek.
Du scheinst zwar von beidem ein großer Fan zu sein, aber was macht gerade bei Star Wars, für dich die Faszination aus?
Matthias: Ach, ich hab das Teil ja 1978 als „Krieg der Sterne“ im Kino gesehen. Am besten fand ich die Cantina-Szene. Und dieses dreckige-authentische Ambiente. So ganz anders als das cleane Enterprise-Umfeld.
S: Wie viele andere auch (mich eingeschlossen), gibst du zwar zu, dass die neuen Episoden ihre Momente haben, bleibst aber trotzdem stur auf dem Standpunkt, dass die klassische Trilogie die bessere ist. Welcher Charakter aus den ersten Star Wars-Filmen ist denn dein ungeschlagener Liebling?
M: Die Raumschlachten und die Klonheerthematik in den neueren Filmen haben mich eigentlich von Anfang an genervt. Deshalb war ich z.B. auch nie ein Fan von Battlestar Galactica.
Ich bin eher ein Muppets-Fan und so ziemlich alles aus der Oz¹-Werkstatt begeistert mich. Darum fand ich Dagobah toll und die Ewoks auch. Und natürlich ist Yoda mein ganz klarer Favorit. Der hat auch das größte Gag-Potenzial.
Zähl mal, wie viel Strips ich mit ihm gemacht hab!
S: Ja, doch, da kommt schon was zusammen. Einige der Strips in SPASS WARS und SPASS TREK, stammen ja aus dem deutschen MAD-Magazin.
Aber wie kam es eigentlich dazu, dass du für diese Publikation tätig wurdest?
M: Das war schon seltsam. Eines Tages bekam ich Besuch von einem komischen Typen, der behauptete, mein älteres Ich aus der Zukunft zu sein. Er drängte mich dazu, Arbeitsproben an das neu gegründete Dino-MAD zu schicken. Das war 1998. Ab Ausgabe 4 war ich dann regelmäßig dabei.
Seit Feuersteins² Tagen war ich ein großer Fan vom deutschen MAD, aber ein noch größerer von Bill Gaines‘ Ur-MAD aus den 50er, 60er Jahren, das ich schwerpunktmäßig während meines Studiums kennenlernte. Überhaupt gehören die EC-Comics³ aus dieser Zeit zu den besten Comics, die je geschaffen wurden.
S: Nun bist du neben den Panini-Büchern und deiner Arbeit für das MAD-Magazin, auch sonst nicht gerade untätig. Auf deiner Website gibt es zum Beispiel einen schönen Schnitt durch deine beeindruckende Angebotspalette. Neben den Cartoons und Comics sind mir dort vor allem die Sympathiefiguren ins Auge gefallen.
Magst du ein wenig mehr dazu erzählen?
M: Bisher habe ich Sympathiefiguren für Freizeiteinrichtungen entworfen, aber besonders auch für Soziale oder Umweltprojekte. Für den NABU und den BUND habe ich von diesen Figuren auch Animationsfilme gemacht. Im Frühjahr 2012 habe ich mit meinem Film Gib ihm ’ne Chance – Willkommen Wolf! den ersten Preis eines Kreativwettbewerbes des NABU gewonnen, ein halbes Jahr später dann, den zweiten Preis für einen Comic gegen die Meeresverschmutzung, dieses Mal vom BUND. Dem folgte der Auftrag, den Comic dann als Animationsfilm umzusetzen. So entstand der Film shark against plastic. Außerdem haben wir vor Kurzem die Arbeit an einem größeren Erklärfilm beendet: Im Reich der Klofrösche, eine abenteuerliche Reise durch eine Kläranlage. Den Film, habe ich zusammen mit meiner Tochter Elisabeth gemacht.
Alle drei Filme kann man sich mittlerweile auch auf YouTube anschauen.
S: Die Klofrösche sind einfach megaputzig geraten. Der Film macht richtig Spaß. Eine andere Sache, die auf deiner Seite gleich ins Auge fällt, sind deine Dilldappen. Du gibst mittlerweile seit über drei Jahrzehnten den sogenannten Dilldappen Kalender heraus. Währen dieser zuerst noch komplett in Schwarzweiß und vollständig in siegerländischem Platt erschien, ist der seit Kurzem erhältliche Kalender für 2015 komplett in Farbe und „zweisprachig“: Deutsch & Siegerländisch. Wie kam es zu der Idee, diese Sagengestalten für das Medium Comic zu adaptieren und warum im siegerländer Platt?
M: Als Kind bekam ich von meinem Opa Geschichten über die Dilldappen erzählt, das war allerdings alles eher sehr fragmentarisch und angedeutet, sodass ich mit meiner Fantasie Lücken schließen musste. Von Anfang an waren meine Dilldappen aber auch schon Karikaturen einer durchschnittlichen Siegerländer Familie, die sich im Dialekt unterhielt. Diese Mischung aus Sage und Satire kam sehr gut an.
Mittlerweile interessieren sich immer mehr Nicht-Siegerländer für den Kalender. Zum einen, weil einige meiner Dilldappen-Geschichten auch im Netz kursieren, z. B. meine Miniserie Minimum Falcon, eine Dilldappen-Parodie auf Han Solo und Chewbacca, zum anderen, weil die Geschichten bekanntermaßen auch andere Popkulturthemen parodieren (aktuell u. a. auch Breaking Bad, Batman und Mission Impossible) und die SPASS WARS/SPASS TREK/MAD-Fans den gleichen Humor dort wiederfinden.
S: Mit nunmehr über 30 Jahren Berufserfahrung im Bereich Illustration und Comic, kann man dich durchaus zu den alten Hasen der deutschen Comic-Szene zählen.
Hast du als solcher vielleicht ein paar nützliche Tipps für die jungen Zeichnern und Zeichnerinnen da draußen?
M: Für mich macht der Beruf des Comickünstlers vor allem das Erzählen guter Geschichten aus, die idealerweise zum Nachdenken anregen. Verbessert euren Zeichenstil nicht bis zur austauschbaren, seelenlosen Perfektion. Arbeitet lieber an Geschichten, die eure Unverwechselbarkeit ausdrücken. Eignet euch permanent Bildung an. Nichts ist peinlicher als Cartoons, aus denen Halbbildung herausschreit.
S: Apropos Bildung, in welcher Form hat dir dein Kunststudium geholfen, im Bereich Comic und Cartoon bzw. Karikatur Fuß zu fassen?
M: Ich habe tatsächlich Kunst studiert (klassisches Zeichnen nach der Natur und Malerei), habe dann aber meinen Magisterabschluss in Kunstgeschichte (und Literaturwissenschaft und Geschichte) gemacht.
Das Studium war keine konkrete Berufsausbildung für den Job des Cartoonisten, hat aber geholfen, bereits vorhandene Fähigkeiten zu vertiefen. Das Zeichnen nach der Natur, d. h. mit dem Blick Proportionen, Perspektive und Körperlichkeit wahrzunehmen und mit Papier und Bleistift festzuhalten, gehört schon zu den Basics, die jeder Zeichner beherrschen sollte. Auch kunstgeschichtliches Wissen, wie zum Beispiel ein Bildaufbau nach dem Goldenen Schnitt vorzunehmen ist, oder Hintergrundwissen zu Motivgeschichte, Ikonografie etc., sind schon sehr, sehr hilfreich für einen zeichnenden Satiriker.
Meinen Stil als Zeichner haben allerdings meine Vorbilder Franquin und Barks geprägt, deren Werke ich visuell und dramaturgisch aufgesaugt habe, um dann zuerst ähnliches, dann eigenes zu schaffen.
S: Solch eine Entwicklung vollzieht sich ja nicht von jetzt auf gleich. Wann hast du mit dem Zeichnen bzw. Malen angefangen?
M: Ich war schon als Schulkind ein begeisterter Zeichner, Kunst war mein Lieblingsfach, Mathe nicht. Erste Karikaturen erschienen in der Schülerzeitung des Gymnasiums, mein erstes Geld habe ich damit zu Beginn des Studiums verdient, als Karikaturist für die regionale Westfalenpost. Von Anfang an habe ich mich allerdings nie als „Nur-Zeichner“ verstanden, sondern immer mit den Zeichnungen auch Geschichten erzählt.
S: Wann und warum hast du dich schließlich entschlossen, dich selbstständig zu machen?
M: Bereits während des Studiums habe ich sehr erfolgreich meine ersten Dilldappen-Kalender verkauft, sodass sich die Frage, ob ich damit weitermachen wollte/sollte von ganz allein beantwortet hat. Zur selben Zeit fing ich dann an, als freier Mitarbeiter für die Westfalenpost zu arbeiten. Beides zog nach und nach weitere Auftragsarbeiten nach sich. Nach Beendigung des Studiums blieb ich dann selbstständig, weil ich mein Leben mit dem Zeichnen gut finanziert bekam.
S: Wie hat sich die deutsche Comicszene in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?
Welche positiven und welche negativen Trends siehst du?
M: Positiv: Das Internet bietet durch Fachforen, soziale Netzwerke, Blogs und eBooks jedem aufstrebenden Talent, aber auch alten Hasen die Möglichkeit, seine Arbeiten online zur Diskussion zu stellen, dafür zu werben und auch zu verkaufen. Früher gab’s dafür Fanzines, die Post und lange Fahrten auf der Autobahn oder im Zug, um zu Stammtischen oder in Comicbuchläden zu gelangen. Früher hat man sich manchmal ziemlich isoliert gefühlt, heute fühlt man sich als Teil einer lebendigen, weltweiten Community.
Negativ: Die Beschaulichkeit ist dahin, der Markt ist größer und rasanter. Onlinevotings sind dämlich und Shitstorms können Karrieren ruinieren, bevor sie begonnen haben.
S: Liest du selbst auch Comics oder Webcomics deutscher Kollegen? Wenn ja welche kannst du besonders empfehlen?
M: Ich lese eigentlich alles von den Kollegen, die ich persönlich kenne und schätze, die man regelmäßig auf Stammtischen, Comictauschtagen oder Messen trifft. Empfehlen kann ich alle, weil man das so unter Kollegen macht. Ich finde besonders toll, dass ich in der Comicszene eine große Freundschaft und Loyalität erfahre. Wir werben ja alle gegenseitig für Produkte und Projekte der Kollegen, Konkurrenz und Neid hab ich noch nie erfahren.
S: Würdest du durch eine Raum-Zeit-Anomalie in die Vergangenheit versetzt und dort auf dein jüngeres Selbst stoßen, welchen Rat würdest du ihm mit auf den Weg geben?
M: Den selben Rat, den ich ihm auch das letzte Mal gegeben habe: Ruf bei MAD an, die können Autoren-Zeichner gebrauchen!
S: Du hast eingangs erwähnt, dass dir Star Wars aufgrund des ‚Used Universe‘-Charakters mehr zusagt, als die sterile Utopie, die wir zumindest aus den älteren Star Trek-Serien kennen, dennoch scheinst du dich auch im Umfeld der Enterprise bestens auszukennen. Wie vereinbart sich das?
M: Nee, Star Wars hatte mich ja nur fasziniert, weil es so „anders“ war als die SF, die ich bis dahin kannte. Ich war ja mit Raumpatrouille Orion, Time Tunnel und eben Raumschiff Enterprise groß geworden. Da war ja alles futuristisch clean. Aber ich fand Raumschiff Enterprise von Anfang an toll, seit ich es 1972 als Schüler zum ersten Mal gesehen hatte. Wir haben das damals alles in der großen Pause auf dem Schulhof nachgespielt, beamen, phasern, Spock-Griff.
Später, in den Achtzigern, fand ich die Next Generation auch toll, besonders wegen der Message. Ich hab dann auch meine Magister-Arbeit über diesen Aspekt der SF geschrieben: Gesellschaftliche Parabeln mit Moral im Gewand von Zukunftsgeschichten.
S: Gibt es noch andere Serien oder Filmreihen, die dich besonders faszinieren und über die du evtl. einmal einen Comic machen würdest?
M: Ich habe eigentlich alle fantastischen Serien gerne geschaut: Quantum Leap, Doctor Who, Buffy, Xena, Hercules. Ein besonderer Fan bin ich – auch unter dem kulturgeschichtlichen Aspekt – von der klassischen Twilight Zone. Eine der besten Serien, die es je gab! Heute schau ich gerne Doctor Who, Game of Thrones, Spartacus, Breaking Bad … ja, und The Big Bang Theory! Und Downton Abbey!!!
S: Auch wenn seitens des Verlags bisher noch nicht offiziell angekündigt, weiss ich doch aus gewohnt zuverlässiger Quelle, dass du derzeit an einem Buch arbeitest, in dem du querbeet und auf gewohnt verulkende Weise durch die oben genannten Serien pflügst. Kannst du uns darüber etwas mehr erzählen?
M: Weil die beiden Cartoonbände so gut laufen, denke ich zusammen mit Panini über einen weiteren Band nach. Der Arbeitstitel ist SPASS STARS. Es soll ein Sammelband von allen Strips werden, die ich seinerzeit für TV-Highlights und Moviestar gemacht habe. Ein Querschnitt durch alle fantastischen Fernsehserien (und Kinofilme), dazu natürlich eine Reihe von neuen Strips, die die aktuellen Serien und Kinofilme abdecken.
S: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, Matthias und weiterhin noch viel Erfolg!… Matthias?!… Was soll ich sagen, entweder habe ich soeben meinen ersten Interviewpartner verlegt oder dieses seltsame leuchtende Ding in meinem Büro ist tatsächlich so eine Art Zeitportal. Ich frage mich nur wohin? Oder sollte ich besser fragen: Wann?
¹ Schauspieler, Puppenspieler und Regisseur Frank Oz ist vor allem bekannt für sein Puppen und deren Auftritte in Film und Fernsehen. Zu den bekannteren Figuren gehörten Miss Piggy, Fozzie Bär, Bert und Yoda.
² Journalist, Kabarettist und Entertainer Herbert Feuerstein war von 1969 bis 1991 Chefredakteur des deutschen MAD-Magazins
³ EC Comics (kurz für „Educational Comics“ bzw. „Entertaining Comics“) war ein New Yorker Comicverlag, der sich in den 1940er und 1950er Jahren auf das Horror- und Crime-Genre spezialisierte und unter anderem die Serie Tales from the Crypt (Geschichten aus der Gruft) herausbrachte, die in Film- und Fernsehserien umgesetzt wurde. Etliche dieser Werke wurden nach Maßgaben des Comics Code zensiert, sodass sich der Verlag ab 1956 auf die Herausgabe des Comic-Magazins MAD konzentrierte.
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